„Direkt nach dem Training tut sich für etwa eine halbe Stunde das sogenannte ‚anabole Fenster‘ auf, innerhalb dessen man unbedingt Eiweiß und bestenfalls noch Kohlenhydrate konsumieren muss, um überhaupt vom Training profitieren zu können. Tust du das nicht, war quasi das gesamte Training für die Katz.“

Diesen Ratschlag hat sicherlich der ein oder andere schon, so oder so ähnlich, zu hören bekommen.

Der Gedanke dahinter, den Körper nach dem Training direkt mit Protein und Kohlenhydraten zu versorgen ist der, dass die Glykogenspeicher der Muskulatur nach dem Training leer sind und die Muskeln innerhalb des anabolen (anabol = körperaufbauende Vorgänge) Fensters sozusagen alles aufsaugen und zum Wachsen nutzen. Die Kohlenhydrate sorgen dafür, dass der Blutzuckerspiegel steigt, was zu einer Ausschüttung von Insulin führt, was wiederum die Zellen „ ihre Türen öffnet“. Durch die offenen Türen kann dann das Protein einfacher in die Zelle gelangen.

Klingt in der Theorie ganz gut, doch wie sieht es in der Praxis aus?

In einer Studie von Schoenfeld et. al. (2017) ging es genau um die Hypothese, dass die Proteineinnahme direkt nach dem Training die wirksamste Strategie sei, um die Muskel-Protein-Synthese (Aufbauprozess von Muskelmasse) zu stimulieren. Hierbei konsumierte eine von zwei Gruppe einen Eiweißshake unmittelbar vor dem Training, die andere Gruppe unmittelbar nach dem Training. Es konnte gezeigt werden, dass beide Gruppen die gleichen Veränderungen hinsichtlich Muskelmasse und Kraftwerte erzielen konnten.

Schoenfeld et. al. (2018) beschäftigten sich auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal mit dem „window of opportunity“ und stellten dabei fest, dass das Fenster nicht so ‚schmal‘ ist wie angenommen und eine Proteinzufuhr direkt im Anschluss des Trainings nicht immer zwingend notwendig ist, da die Muskulatur bis zu 24 Stunden nach dem Training „sensibel“ für Protein ist. Ausschlaggebend ob Protein direkt nach dem Training konsumiert werden sollte oder nicht, war der zeitliche Abstand der letzten Proteinmahlzeit vor dem Training. Wenn also beispielsweise am Ende eine Fastenphase trainiert wird, sei es Vorteilhaft, für verbesserte Anpassungsreaktionen der Muskulatur, direkt im Anschluss Protein zu konsumieren.

Auch Aragon et. al. (2013) untersuchten das „anabole Fenster“ und fanden heraus, dass es sich eher um ein „anaboles Garagentor“ handle. Das bedeutet, dass der Zeitraum in welchem nach dem Training Protein und andere Nährstoffe zugeführt werden sollten/können, deutlich länger ist als 30 min. Zudem verglichen sie das „timing of nutrient intake“ mit dem Backen eines Kuchens. Der Zeitpunkt der Einnahme sei lediglich die Glasur des Kuchens. Für die Glasur braucht man erst einmal einen Kuchen, was so viel bedeutet wie, dass die insgesamt konsumierte Menge an Protein (und anderen Nährstoffen) über den Tag verteilt von deutlich größerer Wichtigkeit ist.

Wir können also festhalten, dass es so etwas wie das „anabole Fenster (window of opportunity)“ zwar gibt, es aber deutlich länger ist als eine halbe Stunde und es auch nur die „Glasur des Kuchens“ ist. Viel wichtiger ist, darauf zu achten seinen Proteinbedarf über den Tag verteilt ausreichend zu decken. Wenn du wissen willst, wie viel dein täglicher Proteinbedarf ist, schau dir unseren Beitrag zur optimalen Proteinmenge an.

Quellen:

Aragon, A. A., & Schoenfeld, B. J. (2013). Nutrient timing revisited: is there a post-exercise anabolic window? Journal of the International Society of Sports Nutrition, 10(1), 5.

Schoenfeld, B. J., & Aragon, A. A. (2018). Is There a Postworkout Anabolic Window of Opportunity for Nutrient Consumption? Clearing up Controversies. Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy, 48(12), 911–914.

Schoenfeld, B. J., Aragon, A., Wilborn, C., Urbina, S. L., Hayward, S. E., & Krieger, J. (2017). Pre- versus post-exercise protein intake has similar effects on muscular adaptations. PeerJ, 5, e2825.


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