In den letzten Beiträgen haben wir uns mit den Grundlagen eines gut zusammengestellten Trainings auseinandergesetzt. Wir haben geklärt mit welchem Volumen, welcher Intensität und welcher Frequenz ihr eure einzelnen Muskelgruppen trainieren solltet. Diese 3 Punkte machen, in der genannten Reihenfolge, die wichtigsten Eckpfeiler eures Kraft- oder Hypertrophietrainings aus. Im nächsten Schritt ging es um sich überschneidende Muskelgruppen, die beachtet werden müssen, wenn man seine Übungen auswählt, um nicht zu einzelne Muskelgruppen nicht mit zu viel Volumen zu trainieren. Im letzten Beitrag ging es dann um die richtige Form, eine sinnvolle Reihenfolge der verschiedenen Übungen und die Range of Motion.

In diesem Beitrag soll es nun um das Tempo gehen, mit dem die einzelnen Bewegungen während der Übungen ausgeführt werden sollten. Gerade über dieses Thema werden oft Fragen gestellt, obwohl es in Sachen Kraft- und Hypertrophietraining eine eher untergeordnete Rolle spielt. Deshalb haben wir unseren Fokus ersteinmal primär auf die zuvor behandelten Themen gerichtet, da sie einen deutlich größeren Einfluss auf den Trainingserfolg haben und behandeln dieses Thema erst jetzt.

Wir können die Bewegungen, die wir bei einer Übung durchführen, in konzentrische und in exzentrische Bewegungen unterteilen. Bei einer konzentrischen Bewegung verkürzt sich der Muskel, bei der exzentrischen verlängert er sich wieder. Nehmen wir einmal einen Bicepscurl als Beispiel, hier ist die Bewegung, bei der wir das Gewicht nach oben bringen und unseren Arm anwinkeln die konzentrische und die Bewegung, bei der wir das Gewicht absenken und unseren Arm wieder strecken die exzentrische Bewegung.

In vielen Tempoempfehlungen wird explizit empfohlen, die exzentrische Bewegung deutlich langsamer durchzuführen als die konzentrische. Warum das so ist, möchten wir dir, bevor wir zu unserer Empfehlung kommen erst einmal etwas erläutern.

Wir haben bei exzentrischen Bewegungen deutlich mehr Kraft und dadurch können wir in diesen Bewegungen mehr Gewicht bewegen. Das bedeutet, wir könnten bei einem Bicepscurl ein Gewicht langsam und kontrolliert exzentrisch bewegen, auch wenn wir das Gewicht nicht anheben (also keine curl damit durchführen) könnten. In einer exzentrischen Bewegung in der wir dann natürlich mehr Gewicht bewegen erzeugen wir gleichzeitig auch mehr Spannung im Muskel.  Dies wurde in Studien, die unter bestimmten Laborbedingungen durchgeführt wurden, auch wissenschaftlich belegt. Da dies aber wie gesagt unter speziellen Laborbedingungen belegt wurde, stellt sich bei solchen Ergebnissen oftmals die Frage, wie wir dieses Ergebnis nun in der Praxis anwenden und den Effekt des exzentrischen Trainings mit freien Gewichten oder Maschinen umsetzen können?

Um das Prinzip umzusetzen müssten wir die konzentrische Bewegung leichter gestalten oder komplett eliminieren. Das ist gerade mit freien Gewichten nicht praktikabel weshalb wahrscheinlich gesagt wurde „Gut, dann führen wir eben die exzentrische Bewegung langsamer durch und die konzentrische Bewegung mit normaler Geschwindigkeit“

Ob das jedoch sinnvoll ist schauen wir uns gleich noch einmal genauer an. Bevor wir diesen Gedanken jedoch wieder aufgreifen gehen wir auf einen weiteren, oft genannten Grund ein ,die Übung langsam auszuführen und zwar die sogenannte „time under tension“. Bei der time under tension handelt es sich um die Zeit, in der der Muskel unter Spannung steht. Je langsamer die Bewegung ausgeführt wird, desto länger ist logischerweise auch die time under tension. Dieses Prinzip vernachlässigt aber komplett, dass es für die Kraftsteigerung oder das Muskelwachstum nicht primär darauf ankommt wie lange der Muskel unter Spannung ist, sondern hauptsächlich auf die „Schwere“ der Spannung, da sie wesentlicher für den Reiz ist, den wir im Muskel setzen. Je länger die time under tension ist, also je langsamer wir die Bewegung ausführen, desto weniger Gewicht können wir bewegen, um noch auf unser Volumen zu kommen, da eine langsame Bewegung natürlich deutlich anstrengender und ermüdender ist. Wir könnten theoretisch 5 Stunden mit angewinkelten Armen und Gewichten in den Händen rumrennen, hätten also eine time under tension von 5 Stunden. Das dies nicht vergleichbar mit dem Reiz ist, der bei einem 1 stündigen klassischen Krafttraining mit Gewichten gesetzt wird, ist wahrscheinlich den meisten klar.

Eine gute Studie in der die beiden Aspekte berücksichtigt wurden, die Konzentration auf die exzentrische Bewegung und die time under tension, ist die Studie von Headly et. al. (2011). Hier wurde zunächst für die einzelnen Bewegungstempos das jeweilige 1RM ermittelt. Alle Teilnehmer ermittelten ihr 1 RM bei einem Tempo von 2/0/2 (2 Sekunden exzentrische Bewegung/0 Sekunden halten/2 Sekunden konzentrische Bewegung) was einem gängigen Trainingstempo entspricht, wenn man moderat-moderat schwere Gewichte nutzt. Einige Zeit später wurde das 1 RM bei einem Tempo von 4/0/2 ermittelt, d.h. die länge des Bewegungstempos bei der exzentrischen Bewegung wurde verdoppelt. Dadurch konnte für jedes Bewegungstempo das 1RM ermittelt werden.

Nachdem das geschehen war, wurden die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt. Beide Gruppen absolvierten AMRAP-Sätze (as many repetitions as possible) mit 75% ihres ermittelten 1RM bei den jeweils unterschiedlichen Tempos. Es konnte gezeigt werden, was keine wirklich große Überraschung ist, dass die Gruppe die mit einem Tempo von 4/0/2 trainierte, deutlich schneller ermüdete als die schnellere Gruppe, welche mit einem Tempo von 2/0/2 trainierte. Der viel interessantere und wichtigere Punkt ist allerdings, dass bei der langsameren Gruppe im Schnitt 1,5 Wiederholungen weniger geschafft wurden als bei der schnelleren Gruppe.

Das bedeutet, eine Steigerung der time under tension führt zu einer Reduzierung im Volumen und Gewicht, welche beide deutlich wichtigere Faktoren für Kraft und Muskelwachstum darstellen als die time und tension oder der Fokus auf die exzentrische Bewegung!

In einer Metanalyse konnte gezeigt werden, dass das Tempo in Sachen Muskelwachstum keinen nennenswerten Einfluss hat. Es konnte lediglich ein negativer Effekt auf das Muskelwachstum nachgewiesen werden, wenn die Bewegung (also die time under tension) 10 Sekunden oder länger Betrug.  

In Sachen Kraft konnte beim Bankdrücken gezeigt werden, dass mit einem Fokus auf die maximale Geschwindigkeit bei der konzentrischen Bewegung nahezu doppelt so viel Kraftzuwachs erreicht werden konnte, als wenn man sich darauf fokussierte die konzentrische Bewegung mit halber Geschwindigkeit durchzuführen.

Was bedeutet das alles nun für die Praxis?

Dies richtet sich jetzt hauptsächlich an diejenigen unter euch deren Ziel Muskelwachstum ist. Sollte euer Ziel mehr Kraft sein, dann solltet ihr sowieso so schwer trainieren, dass ihr nicht wirklich viel am Tempo variieren könnt. Macht ihr die exzentrische Bewegung zu langsam, dann könnt ihr nicht schwer genug trainieren, macht ihr die exzentrische Bewegung zu schnell, lasst also beispielsweise beim Kreuzheben das Gewicht einfach nach unten fallen, ist das Gewicht oft nicht in einer optimalen Position um die nächste Wiederholung durchzuführen und eure Ausführung leidet darunter + euer Verletzungsrisiko steigt.

Für die Hypertrophieleute unter euch ist es Im Grunde ganz simpel: Beweg einfach die Gewichte und mach dir keine allzu großen Gedanken über die Geschwindigkeit. (Als Beginner solltest du die Bewegung dennoch etwas langsamer durchführen, um zu gewährleisten, dass du die Übung korrekt ausführst und ein Gefühl für die Übung bekommst)

Klar sollte sowohl die konzentrische als auch die exzentrische Bewegung kontrolliert ablaufen, ihr sollt also das Gewicht und euch selbst bei den exzentrischen Bewegungen nicht einfach der Schwerkraft überlassen, sondern die Bewegung auf jeden Fall kontrolliert und mit Muskelkraft ausführen.

Führt die Bewegung also so langsam aus, dass ihr die Übung sauber und kontrolliert durchführen könnt, aber nicht so langsam, dass euer Volumen oder das Gewicht negativ beeinflusst wird.

Quellen:

González-Badillo, J. J., Rodríguez-Rosell, D., Sánchez-Medina, L., Gorostiaga, E. M., & Pareja-Blanco, F. (2014). Maximal intended velocity training induces greater gains in bench press performance than deliberately slower half-velocity training. European journal of sport science14(8), 772–781.

Headley SA, Henry K, Nindl BC, Thompson BA, Kraemer WJ, Jones MT. Effects of lifting tempo on one repetition maximum and hormonal responses to a bench press protocol. J Strength Cond Res. 2011 Feb;25(2):406-13.

Mohamad, N. I., Cronin, J. B., & Nosaka, K. K. (2012). Difference in kinematics and kinetics between high- and low-velocity resistance loading equated by volume: implications for hypertrophy training. Journal of strength and conditioning research26(1), 269–275.

Roig, M., O’Brien, K., Kirk, G., Murray, R., McKinnon, P., Shadgan, B., & Reid, W. D. (2009). The effects of eccentric versus concentric resistance training on muscle strength and mass in healthy adults: a systematic review with meta-analysis. British journal of sports medicine43(8), 556–568.

Schoenfeld, B. J., Ogborn, D. I., & Krieger, J. W. (2015). Effect of repetition duration during resistance training on muscle hypertrophy: a systematic review and meta-analysis. Sports medicine (Auckland, N.Z.)45(4), 577–585.


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