Da es im letzten Beitrag um das richtige Warm Up vor deinem Training ging und wir nicht drum herumkamen in diesem Kontext auch ein paar Worte über das Thema Dehnen zu verlieren, dachten wir uns, wir machen nun in diesem einen kleinen Exkurs und gehen noch etwas detaillierter auf dieses Thema ein.

Bevor wir mit dem Thema Dehnen starten, möchten wir noch kurz etwas Aufklärungsarbeit leisten. Fragt man die Menschen warum sie bestimmte Dehnübungen ausführen, ist der Grund meist die Steigerung der Beweglichkeit, um sich vor dem Sport aufzuwärmen oder um Verletzungen vorzubeugen. Da der letzte Beitrag das Aufwärmen ausführlich behandelte und auch ob und wie man sich im Zusammenhang mit dem Warm Up dehnen sollte, gehen wir hier nicht noch einmal explizit  darauf ein.  

Die Beweglichkeit unseres Körpers hängt zwar von der Länge unserer Muskulatur ab, aber eben auch noch von zahlreichen anderen Faktoren wie Sehnen, Bändern, Haut, Gelenken, Nervenstrukturen etc. Ist das Ziel also allgemein mehr Beweglichkeit, sollte, anstelle eines ausschließlich statischen Dehnprogramms, ein ganzheitliches Mobilisationstraining absolviert werden, indem natürlich auch Dehnübungen beinhaltet sind.

Um gerade vor dem Training die Beweglichkeit zu verbessern kann eine Faszienrolle genutzt werden. In Studien konnte gezeigt werden, dass diese die Beweglichkeit, im Vergleich zu statischem und dynamischem Dehnen,signifikant verbessert, ohne dabei Leistungseinbußen zu verzeichnen.

Beim zweiten Grund, das Verletzungsrisiko mit dem Dehnen senken zu wollen, ist sich die Literatur uneinig, da es sowohl Studien gibt, welche eine Verletzungsvorbeugende Wirkung des Dehnens nachweisen konnten, als auch Studien die keinen Effekt auf das Verletzungsrisiko nachwiesen.

Die Hauptursachen für Verletzungen sind unsere Genetik, manche Menschen sind einfach Verletzungsanfälliger als andere, zu viel Volumen und dadurch eine Überlastung unseres Körpers, sowie die falsche Ausführung der Übungen. Der ausschlaggebendste Punkt, nämlich unsere Genetik ändert sich eben auch dann nicht, wenn wir uns jeden Tag 3 Stunden dehnen und auch zu viel Volumen wird durch ein gutes Dehnprogramm nach dem Training nicht weniger.

Warum sollten wir uns also dehnen?

Gerade wenn wir sportlich aktiv sind und unsere Muskulatur regelmäßig trainieren (unsere Muskulatur also gezielt kontrahieren = verkürzen), verkürzt sich früher oder später unsere Muskulatur. Gehen wir dann auch noch im Alltag nicht aus unserer „Bewegungs-Komfortzone“ heraus, schränkt sich zunehmend unsere Beweglichkeit ein. Daher ist es durchaus sinnvoll Mobilisations- und Dehnübungen in seinen Alltag einzubauen.
Dadurch können wir unseren Körper leistungsfähig halten und haben auch im Alltag weniger Beschwerden, denn eine verkürzte Muskulatur kann zu Fehlhaltungen oder verkrampften Muskeln führen, die dann wiederum Schmerzen auslösen können.

Wie sollte ich mich Dehnen?

Um seine Muskulatur zu dehnen, d.h. den Muskel in die Länge zu ziehen und eine maximale Entfernung zwischen Muskelansatz und Muskelursprung zu ermöglichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir können uns aktiv oder passiv dehnen, statisch, dynamisch oder Anspannungs-Entspannungs-Dehnen praktizieren.  

Was sich die meisten Menschen unter Dehnen vorstellen, ist das passiv statische Dehnen. Hierbei hält man einfach die Dehnposition für einen gewissen Zeitraum. Es sollte darauf geachtet werden, die Dehnposition für mindestens 30sek. zu halten, da der Muskel am Anfang sozusagen gegen die Dehnung arbeitet. Nach 30-40sek. Kann man dann meist feststellen wie der Muskel langsam entspannt und man nochmal ein ganzes Stück weiter in die Dehnung gehen kann.

Eine Weitere Möglichkeit ist das aktiv statische Dehnen. Hierbei wird der Antagonist, also der Gegenspieler des zu dehnenden Muskels, gleichzeitig aktiv angespannt wodurch eine Dehnung im Agonisten entsteht. Nehmen wir an wir möchten unsere Hamstrings Dehnen, dann können wir dies aktiv statisch tun indem wir unsere Zehenspitzen nach oben ziehen und unsere vordere Oberschenkelmuskulatur (Quadriceps femoris) gezielt anspannen. Das aktiv statische Dehnen kann allerdings nicht bei jeder Muskelgruppe angewendet werden.

Der Vollständigkeit halber nehmen wir zum statischen Dehnen auch noch das CHRS-Dehnen (Contract-Hold-Relax-Stretch) mit rein. Hierbei wird der Muskel, den man Dehnen möchte, zuerst maximal angespannt und im Anschluss maximal entspannt, indem er in eine statische Dehnposition gebracht wird. Da diese Methode keinen nachweislichen Vorteil gegenüber den anderen Dehnmethoden hat, würden wir persönlich daher auch nicht unbedingt auf diese Dehnmethode zurückgreifen.

Beim dynamischen Dehnen geht es darum die Dehnposition einzunehmen, aber diese nicht lange zu halten. Das bedeutet wir gehen in die Dehnung und ziemlich direkt auch wieder aus der Dehnung heraus.

Das bedeutet allerdings nicht, wie im Beitrag zum Warm Up bereits klar herausgestellt wurde, dass wir eine federnde oder wippende Bewegung machen, sondern langsam und kontrolliert in die Dehnung gehen und auch langsam und kontrolliert wieder aus der Dehnung herausgehen!

Das dynamische Dehnen kann vor allem als Teil des Warm Ups genutzt werden, um die Muskeldurchblutung anzuregen und die Beweglichkeit in Sportarten zu verbessern, in denen sich bestimmte Bewegungen häufig wiederholen wie beim Radfahren, Schwimmen, Laufen etc.

Habt ihr nun vor, ein Mobilisationstraining mit Dehnübungen in euren Trainingsalltag einzubauen, solltet ihr dies am Besten im Anschluss an euer eigentliches Training absolvieren. Zu diesem Zeitpunkt spielen die Leistungsmindernden Effekte von statischem Dehnen keine Rolle mehr und eure Muskulatur + die anderen Körperstrukturen sind aufgewärmt und geschmeidig und können so gut von euch bearbeitet werden.

Wie oft sollte ich mich Dehnen?

Es konnte gezeigt werden, dass Dehnübungen an mindestens 5 Tagen in der Woche zu einer verbesserten ROM führen. Dabei wurde jede Muskelgruppe 5min. pro Woche gedehnt. Das bedeutet, es genügt theoretisch 5 Tage die Woche die Muskulatur, die ihr denen möchtet, jeweils 1 Minute pro Tag zu dehnen, um positive Effekte in Bezug auf eure Beweglichkeit verzeichnen zu können. Solltet ihr das dann noch in ein Mobilitätstraining einbauen, bei dem ihr auch noch speziell auf Gelenke und das weiche Gewebe um eure Gelenke eingeht, dies über einen längeren Zeitraum begleitend zu eurem Krafttraining durchzieht, werdet ihr deutliche positive Effekte in Bezug auf eure Beweglichkeit spüren.

Da es den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde nun noch für jeden Muskel eine geeignete Dehnübung aufzulisten und zu beschreiben, wir euch aber auch nicht einfach so in der Luft hängen lassen möchten, hier noch zwei kleine Tipps, wie ihr euer Mobilitäts/Dehnprogramm einfach gestalten könnt.

1. Stretching Apps nutzen

2. Sportartspezifische Mobility-Trainingsvideos in Youtube nutzen

Quellen:

Amako, M., Oda, T., Masuoka, K., Yokoi, H., & Campisi, P. (2003). Effect of static stretching on prevention of injuries for military recruits. Military medicine168(6), 442–446.

Bandy, W. D., Irion, J. M., & Briggler, M. (1997). The effect of time and frequency of static stretching on flexibility of the hamstring muscles. Physical therapy77(10), 1090–1096.

Behm, D. G., & Chaouachi, A. (2011). A review of the acute effects of static and dynamic stretching on performance. European journal of applied physiology111(11), 2633–2651.

Brusco, C. M., Blazevich, A. J., & Pinto, R. S. (2019). The effects of 6 weeks of constant-angle muscle stretching training on flexibility and muscle function in men with limited hamstrings‘ flexibility. European journal of applied physiology119(8), 1691–1700.

Cayco, C. S., Labro, A. V., & Gorgon, E. (2019). Hold-relax and contract-relax stretching for hamstrings flexibility: A systematic review with meta-analysis. Physical therapy in sport : official journal of the Association of Chartered Physiotherapists in Sports Medicine35, 42–55.

Harshbarger, N. D., Eppelheimer, B. L., Valovich McLeod, T. C., & Welch McCarty, C. (2013). The effectiveness of shoulder stretching and joint mobilizations on posterior shoulder tightness. Journal of sport rehabilitation22(4), 313–319.

Medeiros, D. M., Cini, A., Sbruzzi, G., & Lima, C. S. (2016). Influence of static stretching on hamstring flexibility in healthy young adults: Systematic review and meta-analysis. Physiotherapy theory and practice32(6), 438–445.

McHugh, M. P., & Cosgrave, C. H. (2010). To stretch or not to stretch: the role of stretching in injury prevention and performance. Scandinavian journal of medicine & science in sports20(2), 169–181.

Thomas, E., Bianco, A., Paoli, A., & Palma, A. (2018). The Relation Between Stretching Typology and Stretching Duration: The Effects on Range of Motion. International journal of sports medicine39(4), 243–254.

Su, H., Chang, N. J., Wu, W. L., Guo, L. Y., & Chu, I. H. (2017). Acute Effects of Foam Rolling, Static Stretching, and Dynamic Stretching During Warm-ups on Muscular Flexibility and Strength in Young Adults. Journal of sport rehabilitation26(6), 469–477.

Witvrouw, E., Mahieu, N., Danneels, L., & McNair, P. (2004). Stretching and injury prevention: an obscure relationship. Sports medicine (Auckland, N.Z.)34(7), 443–449.


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.