In den letzten Beiträgen haben wir geklärt, wie ihr euer Training gestalten solltet wenn euer Ziel mehr Kraft oder Muskelwachstum ist. Es wurde erläutert mit welchem Volumen ihr trainieren, mit welcher Frequenz ihr die einzelnen Muskelgruppen trainieren und mit welcher Intensität trainiert werden sollte. Im letzten Beitrag ging es um die richtige Übungsauswahl weshalb es nun in diesem Beitrag um die Trainingsgestaltung und die Ausführung der Übungen gehen soll. Genauer gesagt wird es um die korrekte Form, eine sinnvolle Reihenfolge der einzelnen Übungen und auch um die sogenannte Range of Motion gehen.

Lasst uns mit der Form beginnen.

Natürlich können wir dir hier nicht auf die korrekte Form jeder einzelnen Übung eingehen, zumal es sowieso nicht „die perfekte Form“ gibt. Jeder Körper ist individuell und hat beispielsweise verschieden lange Knochen und unterschiedliche Bewegungsradien der einzelnen Gelenke. Das bedeutet bei der einen Person kann eine Kniebeuge korrekt ausgeführt völlig anders aussehen als eine korrekt ausgeführte Kniebeuge einer anderen Person. Aus diesem Grund raten wir dir, gerade als Anfänger, einen kompetenten Trainer an die Hand zu nehmen damit du dir direkt eine richtige Ausführung aneignest, die Alleine falsch erlernte Form nicht mühselig richtig Neu-Lernen musst und dein Verletzungsrisiko nicht unnötig steigerst. Zudem konnte gezeigt werden, dass Anfänger, welche die Übungen unter Anleitung eines Trainers durchführten, eine deutlich größere Muskelaktivierung erzielen konnten als die Personen die lediglich eine kurze Standardeinführung in die Übung erhielten.

Aus diesem Grund gehen wir hier bei der Form auch auf die „muscle-mind connection“ eingehen.

Mit der muscle-mind connection soll ausgedrückt werden, wie gut ihr euren jeweiligen Zielmuskel, also den Muskel den ihr mit der Übung trainieren möchtet, z.B. den Latissimus beim Lat-Ziehen, während der Übung ansteuern könnt. Diese muscle-mind connection äußert sich dann dadurch, dass ihr den Zielmuskel während der Bewegungsausführung deutlich spürt. Viele gehen davon aus, dass die Übungen nur dann richtig ausgeführt und effektiv sind, wenn ihr eure Zielmuskeln während der Übung spürt, ihr also eine gute muscle-mind connection habt.

Es ist zwar richtig, dass ihr durch das Fokussieren und das Spüren der Zielmuskulatur die Muskelaktivierung steigern könnt, wenn ihr aber anfangt gerade die Verbundübungen mit schwererem Gewicht durchzuführen (>80% des 1RM) verschwindet dieser Effekt des Spürens einzelner Muskeln.

Das bedeutet also wenn das Gewicht so leicht ist, dass ihr euch während der Übung gezielt auf einzelne Muskeln konzentrieren könnt und die Übung ausführen könnt, ohne dass die umliegende Muskulatur des Zielmuskels stark involviert ist, könnt ihr durch eure muscle-mind connection verschiedene Zielmuskeln gezielt ansteuern. Wenn ihr aber Verbundübungen mit schwerem Gewicht durchführt, muss die umliegende Hilfsmuskulatur der Zielmuskeln maximal mitarbeiten, damit ihr die Übung ausführen könnt und ihr spürt den Zielmuskel nicht explizit während der Übung, was aber nicht automatisch bedeutet, dass ihr eine schlechte muscle-mind connection habt.

Ob ihr also eure Zielmuskulatur während der Übung spürt (vor allem bei Verbundübungen) oder nicht, sagt nicht unbedingt etwas darüber aus, ob eure Form korrekt und euer Training effektiv ist.

Die muscle-mind connection ist aber nicht unwichtig, denn um schwere Verbundübungen mit schwerem Gewicht und einer maximalen Aktivierung der beteiligten Muskeln zu erreichen muss die Übung korrekt ausgeführt werden. Durch die muscle-mind connection und das daraus resultierende spüren der Zielmuskulatur mit etwas leichterem Gewicht, habt ihr eine Auskunft darüber, ob eure Bewegungsausführung richtig ist.

Wir würden dir daher immer raten zu Beginn einer neuen Übung mit etwas weniger Gewicht zu starten und eine gute muscle-mind connection zu entwickeln. Dadurch prägt ihr euch die richtige Bewegungsausführung ein, um anschließend mit mehr Gewicht eine maximale Muskelaktivierung zu erreichen.

Die muscle-mind connection spielt also beim Lernen oder auch Neu-Lernen aber auch bei Isolationsübungen, bei denen ihr einzelne Muskeln isoliert trainieren möchtet, ist eine gute muscle-mind connection wichtig um auch genau die Zielmuskulatur ansteuern zu können.

Nun kommen wir zur Reihenfolge in denen du deine Übungen durchführen solltest um das maximale aus deinem Training herauszuholen.

Im letzten Beitrag zum Thema Übungsauswahl ging es speziell darum, welche Übungen du in Abhängigkeit von deinem Ziel in dein Training packen solltest. Habt ihr also für euch die richtigen Übungen ausgewählt, müsst ihr diese nun noch in die richtige Reihenfolge bringen.

Ihr müsst bedenken, dass ihr zu Beginn eures Trainings natürlich noch viel fitter und frischer seid als gegen Ende. Das bedeutet ihr könnt am Anfang eures Trainings mehr Volumen in den Übungen trainieren.

Am besten ihr packt also die Verbundübungen mit freien Gewichten an den Anfang eures Trainings. Bei diesen Übungen solltet ihr noch die volle Energie und einen klaren Fokus haben, da sie die komplexesten Übungen eures Plans darstellen und somit bei diesen Übungen auch das höchste Verletzungsrisiko besteht. Die Verbundübungen sind die Übungen, die eure Muskeln am meisten ermüden, da viele Muskelgruppen beansprucht werden, was auf der anderen Seite aber wiederum bedeutet, dass wir gerade bei diesen Übungen mit jeder absolvierter Wiederholung einen sehr großen Wachstumsreiz setzen.

Für die Reihenfolge bedeutet das also, die kräftezehrenden aber für die Kraft und Hypertrophie wichtigsten Verbundübungen als erstes zu absolvieren und im Anschluss die Isolationsübungen zu trainieren.

Eine Ausnahme besteht dennoch bei der man auch eine Isolationsübung vor die Verbundübungen ziehen kann und zwar dann, wenn man eine klare Schwachstelle in einer bestimmten Muskelgruppe aufweist. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, diese Schwachstelle zu Beginn des Trainings mit vollem Energietank anzugehen.

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass eine Ermüdung der Schwachstelle keinen negativen Einfluss auf eure anschließende Durchführung der Verbundübungen hat!

Ist eure Schwachstelle beispielsweise eure Triceps, dann könnt ihr das Tricepstraining theoretisch vor das Kreuzheben ziehen, da ein ermüdeter Triceps keinen negativen Einfluss auf eure Performance beim Kreuzheben haben wird. Sollte allerdings Bankdrücken auf dem Plan stehen, wäre es nicht ratsam davor seinen Triceps auszupowern, da sich das merklich negativ auf eure Leistung beim Bankdrücken auswirken würde.

Da wir das geklärt haben, kommen wir nun zur Range of Motion. Mit der Range of Motion (ROM) bei einer Übung wird der Bewegungsumfang bzw. die Bewegungsamplitude bei einer Übung beschrieben. Also die Bewegung zwischen dem Start- und Endpunkt der Übung. Die ROM gehört eigentlich mit zu einer korrekten Form, da das aber ein wichtiger Punkt ist, welcher leider oft durch fanatische und dogmatische Vertretern der „alles außer die volle ROM ist eine schlechte Form“-Bewegung falsch weitergegeben wird, möchten wir auf dieses Thema separat eingehen.

Wie wir beim Thema Form bereits angesprochen haben, hat jeder Mensch individuelle Unterschiede in der Knochenlänge & -struktur, den Gelenken und der Dehnfähigkeit des weichen Gewebes, was wiederum zu einer individuellen ROM führt.

Die insgesamt volle ROM allen Personen als die richtige Form aufzuzwingen, kann zu einer unsauberen und auch unsicheren Bewegungsausführung führen und das Verletzungsrisiko erhöhen.

Deshalb solltest du immer in deiner individuellen vollen ROM trainieren. Um dir zu verdeutlichen was wir damit meine nehmen wir einmal die Kniebeuge als Beispiel. Kannst du eine Kniebeuge mit einer guten Form (gerade Wirbelsäule und Fußsohlen flach auf dem Boden) durchführen und am Ende der Bewegung berühren deine Hamstrings deine Waden, dann ist das wunderbar! Du kannst also die Kniebeuge mit einer maximal möglichen ROM ausführen ohne dass deine Form darunter leidet. Wenn du allerdings deine Fersen vom Boden abheben und deinen Rücken krümmen musst, damit deine Hamstrings deine Waden berühren, dann ist das schlecht. Das bedeutet die maximal mögliche ROM ist nicht deine individuell voll mögliche ROM und du solltest definitiv nur maximal so tief gehen, dass deine Form nicht unter der Ausführung leidet.

Das heißt auf der anderen Seite natürlich nicht, dass du die Übung nur halb ausführen solltest, denn Studien haben gezeigt, dass eine volle ROM bei der Bewegungsausführung zur mehr Muskelwachstum und Kraft führt als eine Ausführung, die nur eine kurze ROM nutzt.

Ihr solltet aber immer von eurer persönlichen vollen ROM ausgehen!

Ihr könnt, falls eure ROM durch verkürzte Muskeln, Bändern oder Sehnen verursacht wird, eure persönliche ROM step by step durch statisches Dehnen erweitern (nur nicht direkt vor dem Training!).

Quellen:

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Kategorien: Wissenswertes

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